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Großes Lob für politisches Gespür: Joachim Ziefle in Ruhestand verabschiedet

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Natürlich stand die Verabschiedung von Joachim Ziefle in den Ruhestand im Mittelpunkt des Empfangs. Aber der stellvertretende Leiter der Melanchthon-Akademie hatte starke Konkurrenz zum Empfang eingeladen: Polen. Insbesondere das Neue Kreisau und die deutsch-polnischen Beziehungen spielten eine große Rolle bei der Feier. Vor allem die Begegnungs- und Tagungsstätte im heutigen Kryzowa liegt Ziefle am Herzen. Er hat sie auch schon des Öfteren mit Jugendgruppen besucht. Darüber hinaus stammt seine Frau Theresa aus Polen.

Akademieleiter Dr. Martin Bock begrüßte die zahlreichen Gäste und würdigte seinen langjährigen Stellvertreter: „Wir waren immer auf Augenhöhe. Du hast ein ausgeprägtes strategisches Gefühl und ein politisches Gespür. Beides gehört nicht zu meinen Stärken.“ Bock lobte die starken Nerven Ziefles und dessen „schwäbische Gründlichkeit“. Der sei nun sozusagen frei gelassen, kein „Sklave“ mehr. „Du bist jetzt ein Sklave der Freiheit.“

Bock erinnerte an die vielgestaltige Bildungsarbeit Ziefles. Der Soziologe Zygmunt Baumann habe gesagt: „Das Gefährlichste auf der Welt sind nicht die Utopien, sondern die Retropien.“ Ziefle habe immer gegen Retropien gearbeitet „in einer durch Neoliberalismus fragmentierten Welt“. Themen Ziefles seien auch das bedingungslose Grundeinkommen, die Arbeit mit Geflüchteten, die Medien und das Verhältnis von Frauen und Männern gewesen.

Festvortrag zum Thema: „Polen und Deutschland“

Per Zoom zugeschaltet war Dr. Anna Quirin, Geschäftsführerin der Freya von Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau. Sie war per Zoom zugeschaltet und hielt den Festvortrag zum Thema: „Polen und Deutschland. Auf Augenhöhe miteinander sprechen.“ Bei den Parlamentswahlen im Oktober 2023 habe sich in Polen die freiheitliche, liberale Demokratie durchgesetzt. Friedlich wie 1989 habe man diesmal keine sozialistische, sondern eine national-populistische Autokratie abgewählt. „Das Beispiel Polen hat gezeigt, wie wehrhaft eine Demokratie sein kann.“ Und es seien unfaire Wahlen gewesen, bei denen man einen klaren Sieg der Zivilgesellschaft verzeichnen konnte. Zu verdanken sei dies auch dem Slogan gewesen „Geh wählen, sonst wirst du überstimmt“. Das habe bei jungen Menschen gezogen.

Die Reparatur des politischen Systems Polens sei schwierig. „Man kann leicht ein Omelett aus Eiern machen. Aber aus einem Omelett Eier?“ Die Beziehungen zwischen Deutschland und Polen seien in den vergangen acht Jahren „verheerend“ gewesen, bilanzierte die Geschäftsführerin. Die von antideutschen Ressentiments geprägte Rhetorik der PIS-Partei habe tiefe Spuren hinterlassen. Die Deutschen hätten darauf mit Gleichgültigkeit reagiert. Die Reaktion der Deutschen auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine habe viele Polen enttäuscht und zu Vertrauensverlusten geführt. Aber der politische Ton werde sachlicher werden. Angesichts der vielfältigen Bedrohungen durch etwa Antisemitismus, Rechtsruck, Klimawandel und Fremdenfeindlichkeit brauche es Räume für den Dialog. Das Neue Kreisau sei solch ein Raum. „Junge Menschen aus ganz Europa legen dort das Fundament für eine friedliche Zukunft.“

Markus Zimmermann, Superintendent des Kirchenkreises Köln-Nord, attestierte der Melanchthon-Akademie „tatkräftige Ausstrahlungskraft“ über die kerngemeindlichen Aufgaben hinaus. „Diese Stadtakademie ist für den Kirchenverband Köln und Region innerhalb der Evangelischen Kirche im Rheinland ein Alleinstellungsmerkmal.“ Joachim Ziefle habe fortwährend gesellschaftliche Themen sehr wach wahrgenommen. Der Superintendent erinnerte an Ziefles letzte Veranstaltung in der Akademie. „Da ging es um Wasserstoff in Namibia.“ Ziefles Herz schlage für die Ermutigung von Menschen, sich zu Wort zu melden. Etwa im Studio ECK, in dem in Radiosendungen regelmäßig junge Menschen zu Wort kämen. Zimmermann gab Ziefle die Tageslosung mit auf den Weg. Sie stammte aus Psalm 16: „Du tust mir kund den Weg zum Leben.“

Für die Redaktion des Studio ECK war Anne Siebertz gekommen. Ziefle war 28 Jahre Leiter der Redaktion. „Sie standen meist im Hintergrund. Aber Sie waren unsere Säule.“ Für Gelächter sorgte ein eingespielter „Radiobeitrag“, in dem bedauert wurde, dass es bis auf Weiteres keinen Radweg zwischen Bocklemünd und der Südstadt geben werde. Ziefle wohnt in Bocklemünd und ist begeisterter Radfahrer.

Der emeritierte Soziologe Wolf-Dietrich Bukow erinnerte an Aristoteles: „Die Stadt besteht aus unterschiedlichen Menschen. Mit ähnlichen Menschen bringt man keine Stadt zusammen.“ Bukow und Ziefle haben in unterschiedlichen Zusammenhängen zusammengearbeitet. Der Soziologe erinnerte an die Forschungsstelle für interkulturelle Studien. „Wichtig war, sich vor Ort auf die Vielfalt zu konzentrieren.“ Kommen und gehen sei urban. Bukows Fazit war positiver als es klingt: „Wir haben nicht viel erreicht. Wir haben Themen bearbeitet, die uns bleiben.“ Immerhin.

„Wie will ich leben?“

Karin Nell und Joachim Ziefle haben das Projekt „Wohnschule“ in der Melanchthon-Akademie ins Leben gerufen. In der Wohnschule habe man mit Menschen Antworten auf die Frage gesucht, wie man wohnen möchte. Die Teilnehmenden wurden zu einem Perspektivwechsel ermutigt. Denn hinter der Frage „Wie will ich wohnen?“ stehe die Frage „Wie will ich leben?“. Es gebe ja heute keinen Ruhestand mehr. „Es gibt ein nachberufliches Leben. Und ich habe erlebt, dass viele zu wissen glauben, was man damit anfangen soll. Ich rate dir, dich von fremden Erwartungen abzugrenzen.“

Auch Marten Marquardt, ehemaliger Leiter der Melanchthon-Akademie, war gekommen. Er hatte schon eine Aufgabe für Ziefle im Gepäck: „Als Kampfgenosse gegen Rassismus wirst du auf jeden Fall gebraucht. Du wirst gebraucht, wenn auch nicht mehr so gut bezahlt.“ Danach verabschiedete sich das Team der Akademie in kurzen, von großer Sympathie und hohem Respekt geprägten Statements vom stellvertretenden Leiter.

Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann

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