Helga Pfeil kommt aus einer großen Familie. Die 72-Jährige berichtet, sie sei die Zweitälteste von „fünf Mädels und einem Bruder“, die regelmäßig in Kontakt stünden. „Und doch, auch wenn wir uns sehr nah sind, gibt es durch unterschiedliche Charaktere und Lebensentwürfe immer auch Konfliktpotenzial“, erläutert sie. Um Impulse für ein anderes Reagieren zu bekommen, ist sie daher an diesem Samstag zum ersten Mal zum „Frauenmahl am Morgen“ im Kirchenkreis Köln-Nord gekommen. Denn dieser Vormittag in der Epiphaniaskirche in Bickendorf steht unter der Überschrift „Gezwisterliebe – Vom Verbundensein, Auseinandersetzen und Versöhnen“.
Auf einen biblischen Impuls, in dem die Geschwister Jesu zu Wort kommen, folgt ein „Speeddating der Geschwisterlichkeit“. Dann liest Ursula Ott, Chefredakteurin der Zeitschrift „Chrismon“ aus ihrem gerade erschienenen Buch „Gezwisterliebe: Vom Streiten, Auseinandersetzen und Versöhnen“. Von der persönlichen Verbindung zu den eigenen Geschwistern öffnet sich der Rahmen zum Abschluss schließlich in die Welt hinein. Die Gründerinnen der „Sorores Mundi Stiftung“, unter ihnen auch Pfarrerin Kristina Tsoleridis von der gastgebenden Gemeinde, stellen das aktuelle Projekt vor.
Diese, früher „Frauentag“ genannte Veranstaltung, findet, wie Pfarrerin Susanne Zimmermann sagt, immer um den Reformationstag herum statt und hat eine lange Tradition. 40 Teilnehmerinnen haben sich angemeldet, um zu lauschen, aber auch, um miteinander in einen Austausch zu treten. So verrät eine Freundin von Helga Pfeil, sie habe zwei Töchter: „Ich erhoffe mir hier Gedankenanstöße, inwieweit ich als Mutter bei den beiden vermitteln darf und soll.“ Sie sei schon mehrfach beim Frauenmahl gewesen, habe immer gute Impulse mitnehmen können, sagt sie. Auch die dritte Teilnehmerin am Tisch hat sehr persönliche Beweggründe für ihre Anmeldung. So berichtet Margrit Kewel (86), sie versuche gerade gemeinsam mit ihrem Bruder die Familiengeschichte zu dokumentieren und zu erhalten. Die drei Teilnehmerinnen hören konzentriert zu, als Ursula Ott zu lesen beginnt. Die Journalistin spricht zunächst von intensiver Recherche, dann geht es um die Forschung zum Thema Geschwister, zur Rollenverteilung.
„Geschwister sind die längste Beziehung unseres Lebens“
Über diese Rollenverteilung haben die Teilnehmerinnen vorher schon beim Speeddating gesprochen – die Frauen waren gebeten worden, sich in Gruppen aufzuteilen. Älteste Schwestern, mittlere und jüngste sowie Einzelkinder fanden sich zusammen und tauschten typische Sätze aus. So verrieten einige der ältesten Schwestern, sie hätten oft gehört: „Mach du das doch bitte für mich. Du kannst das doch so gut!“ Die Einzelkinder waren sich einig, dass es zwar keine Konkurrenz gab, doch letztlich das oft wenig schöne Gefühl, Dinge ganz alleine durchfechten zu müssen, typisch für ihre Jugend gewesen sei. Es gab in jedem Fall viel Lachen bei diesen Gesprächen, denn alle fühlten sich von den anderen verstanden.
„Geschwister sind die längste Beziehung unseres Lebens“, betont Autorin Ursula Ott und liest zunächst aus einem der Sachkapitel zur Forschung, um dann, nach einem Exkurs in die biblische Geschichte und die Welt der Märchen, von drei Schwestern in Köln zu berichten, die versuchen, das Erbe ihrer Mutter zu bewahren. Drei Schwestern, die durch ihre ganz unterschiedlichen Temperamente nicht zusammenfinden, sich schließlich Hilfe von außen holen und eine praxisorientierte Lösung finden, die allen Selbstfürsorge ermöglicht, Druck und Stress aus der Situation nimmt.
„Schwesternschaft, auch global, ist ein Band fürs Leben!“
Mit der Vorstellung der Stiftung„Sorores Mundi“, die 2012 von zwölf Mitgliedern des Theologinnenkonvents im Kirchenkreis Köln-Nord gegründet wurde, klang der Vormittag aus. Die Stiftung engagiert sich besonders im Bereich Mädchenbildung und Frauenförderung. Vorgestellt wurde das Projekt „Mädchen vor Gewalt schützen“ in der Benishangul-Gumuz-Region in Afrika, dessen Unterstützerinnen und Unterstützer sich unter anderem für schulische und berufliche Bildung für Mädchen einsetzen, zudem für den Bau von zwei Frauenhäusern. Dazu sagt Vorstandsmitglied Susanne Zimmermann: „Schwesternschaft, auch global, ist ein Band fürs Leben!“
Helga Pfeil und ihren beiden Freundinnen hat der Vormittag jedenfalls Freude gemacht. Sie sind sich einig, gute Anregungen bekommen zu haben, und sagen: „Das Frauenmahl hat seine Berechtigung alleine schon deshalb, weil Frauen sich untereinander unbefangener austauschen und manchmal doch mehr Verständnis füreinander haben. Dieses ,erst mal Dinge nur loswerden‘, das gegenseitige Zuhörern, tut einfach gut.“
Text: Katja Pohl
Foto(s): Matthias Pohl
Der Beitrag Geschwisterliebe und Gezwisterliebe: Frauenmahl am Morgen im Kirchenkreis Köln-Nord thematisierte Streit und Versöhnung erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.