Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Politik, öffentlicher Verwaltung, Unternehmen und aus dem Evangelischen Kirchenverband Köln und Region begrüßte Marcus Besserer bei der „Mittagspause mit allen Sinnen“ auf dem Platz vor der Brühler Andreaskirche. Besonders willkommen hieß der Geschäftsführer des Verwaltungsverbandes Köln-Mitte/Süd Katrin Jungclaus, seit Anfang des Jahres Präsidentin des Kölner Landgerichts.
„Wir leben in einer herausfordernden Zeit“, sagte Besserer. „Die Politik leistet Großes für unser Land. Demokratie lebt davon, dass Menschen sich engagieren. Die Wirtschaft schafft Arbeitsplätze und sichert den Wohlstand. Ohne das Soziale und die Kirchen wäre unsere Welt ein bisschen ärmer.“
Katrin Jungclaus: Justiz im digitalen Wandel
Katrin Jungclaus hatte man um einen Impulsvortrag gebeten. Sie berichtete von der fortschreitenden Digitalisierung des Gerichtswesens. Die Justiz sei mit Riesenschritten unterwegs in die digitale Wirklichkeit.
„Früher hieß es ja, man könne einen Richter hundert Jahre einschläfern, ihn dann aufwecken und er könne weiter an den Akten arbeiten wie damals.“ Bei der Bewertung der Digitalisierung müsse man berücksichtigen, dass die Justiz Ländersache sei. Das erschwere eine Vereinheitlichung.
Es gebe die elektronische Akte seit 2020, aber beispielsweise die Polizei habe noch keinen Zugriff. Es gelte, behutsam die Verfahrensordnungen anzupassen. Zu Beginn sei die Begeisterung der Mitarbeitenden mäßig gewesen. Die Pandemie mit der Arbeit im Homeoffice habe für deutlich mehr Akzeptanz in der Belegschaft gesorgt.
Bislang gebe es die elektronische Akte nur in zivilrechtlichen Verfahren. Zu Beginn des kommenden Jahres soll sie auch in Strafsachen eingeführt werden. Nun müssten sich die Gerichte mit den Staatsanwaltschaften und der Polizei verbinden.
Was kann Künstliche Intelligenz im Gerichtssaal leisten?
Videoverhandlungen vor Gericht seien rechtlich schon lange möglich und sind spätestens seit Corona gelebte Praxis. Auch die Künstliche Intelligenz könne den Gerichten helfen – etwa bei der inhaltlichen Analyse von Schriftsätzen und dem Finden neuer Argumente gegenüber dem vorherigen Schriftsatz.
„Aber was macht die KI mit unserer Fähigkeit der Sachverhaltsanalyse?“, fragte die Landgerichtspräsidentin. Es müsse geklärt werden, welche Firma hinter der KI stecke und für welche Werte dieses Unternehmen stehe. Jungclaus endete mit den Worten Bertolt Brechts: „Der Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Geistlicher Impuls: Recht, Religion und Menschenwürde
Stadtsuperintendent Bernhard Seiger, der wie Superintendent Markus Zimmermann und Superintendentin Susanne Beuth die Mittagspause bei strahlendem Sonnenschein genoss, dankte der Landgerichtspräsidentin für ihren Vortrag und Marcus Besserer für die Organisation der Veranstaltung: „Ja. Begegnung ist das, was uns in turbulenten Zeiten Kraft und Energie gibt.“
Als Eingangsfrage für seinen geistlichen Impuls wählte Seiger: „Welche Rolle spielt das Recht in unserem Arbeitsalltag und in unserem Leben?“ Seine Antwort: eine sehr große.
„Wir alle leben in einem ausdifferenzierten Rechtsstaat.“ Das Recht spiele aber auch in der Religion eine große Rolle: „Für das Volk Israel war die Gesetzgebung zentral, und die treue Orientierung an der Thora war eine religiöse Grundhaltung.“ Jüdisches und römisches Recht hätten Europa mitgeformt. „Die zehn Gebote waren die hohe Form der Bündelung der Rechtssätze – wie ein Grundgesetz. Die zehn Gebote haben das Zusammenleben geregelt und waren Richtschnur in Konfliktfällen.“
Fazit: Begegnung schafft Vertrauen
Ohne Recht als Grundlage des Zusammenlebens würde überall das Recht des Stärkeren gelten. „Unser hoch entwickeltes Recht achtet die Würde jedes Menschen, stellt sie vor dem Gesetz gleich und grenzt die eigene Freiheit gegen die Freiheit anderer ab.“
Angesichts aktueller Kriege sehe man, wohin es führe, wenn Völker- und Menschenrechte nicht geachtet würden. Seiger zitierte Jesus Christus: „Das Recht ist um des Menschen willen da und nicht der Mensch um des Gesetzes willen.“ Der Stadtsuperintendent plädierte für pragmatische Auslegungen der Gesetze: „Es kann sein, dass es allen dient, wenn man nicht zu 100 Prozent auf die Beachtung jedes Buchstabens achtet, sondern auf die Intention von gesetzlichen Regeln – und in dem Sinn möglichst pragmatisch und lösungsorientiert Aufgaben angeht.“
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann
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