Heute ist es soweit: Nach mehrjähriger Bauzeit wird die Gürzenichstraße im Herzen der Kölner Altstadt feierlich eröffnet (25.5.). Der Abschnitt zwischen Hohe Straße und Heumarkt erstrahlt nun als erster fertiggestellter Teil der städtischen „Via Culturalis“ in neuem Glanz. Mit Musik, Bühnenprogramm und Führungen wird dieser Meilenstein gefeiert – unter den Gästen ist auch Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Gleichzeitig wird ein besonderes Kapitel der Stadtgeschichte wiederentdeckt: Auf dem Platz vor dem historischen Festsaal Gürzenich erinnert jetzt eine Bodenplatte mit QR-Code an die Station 7 der VIA REFORMATA, des evangelischen Geschichtspfads durch die Kölner Innenstadt.
VIA REFORMATA – evangelische Spurensuche in Köln
Die VIA REFORMATA ist ein historischer Stadtweg zur Reformation und ihren Folgen, präsentiert vom Evangelischen Kirchenverband Köln und Region. Entstanden ist die Idee im Zuge des Reformationsjubiläums 2017, als vielen neu bewusst wurde, dass „evangelisch sein“ in Köln an zahlreichen Orten eine lange und vielfältige Geschichte hat. Diese Spurensuche macht die bedeutenden Stätten und Ereignisse der Protestanten in der Domstadt vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart erfahrbar – in ökumenischer Verbundenheit und als Beitrag zur Stadtkultur.
„Wir möchten die Geschichte der Protestanten in Köln für die Menschen erlebbar machen und freuen uns, mit diesem Projekt einen Beitrag dazu leisten zu können“, betonte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger bei der Eröffnung der VIA REFORMATA. Auch die Stadt Köln würdigt den Geschichtspfad als Gewinn: Über 200 Jahre nach seiner rechtlichen Anerkennung werde der Protestantismus nun sichtbar als gestaltender Akteur in Köln.
4,5 Kilometer Wegstrecke
Zwölf Stationen umfasst die VIA REFORMATA insgesamt. Auf rund 4,5 Kilometern Wegstrecke verbindet sie zentrale Orte evangelischer Geschichte in Köln. An jeder Station informieren Stelen, Wand- oder Bodenplatten darüber, welche Bedeutung der Ort für die evangelischen Menschen hat – vom mittelalterlichen Universitätsviertel bis zur Südstadt. So spannt sich der Bogen von der Alten Universität (Station 1), an der frühere Reformatoren wie Adolf Clarenbach wirkten, über den Domhof/Roncalliplatz (Station 2), wo 1520 Luthers Schriften verbrannt wurden, und den Rathausplatz (Station 3), an dem die Stadt im 16. Jahrhundert gegen „Lutheraner“ vorging, weiter zur Antoniterkirche (Station 5), in der 1802 der erste evangelische Gottesdienst auf Kölner Boden gefeiert werden durfte.
Weitere Haltepunkte sind u.a. das ehemalige Augustinerkloster (Station 6), das Martin Luther 1512 besuchte, der Heumarkt mit dem Reiterdenkmal für König Friedrich Wilhelm III. (Station 8), die Trinitatiskirche als erster großer protestantischer Kirchenbau Kölns (Station 9) sowie die Kartäuserkirche und das Haus der Evangelischen Kirche (Stationen 11 und 12), wo der Pfad schließlich endet. An den einzelnen Standorten kann man über einen QR-Code mit dem Smartphone zusätzliche Hintergründe abrufen. Außerdem gibt es ein begleitendes Heft mit vertiefenden Informationen zu allen Stationen. Seit der Eröffnung der VIA REFORMATA im Oktober 2021 werden die Markierungen nach und nach im Stadtraum installiert. Zuletzt kamen im April 2023 drei neue Stationen hinzu – am Heumarkt, an der Trinitatiskirche und am Friedhof an der Elendskirche.
Station 7: Schauplatz protestantischer Streitkultur am Gürzenich
Der Gürzenich – Kölns altehrwürdige „gute Stube“ – wurde Anfang des 20. Jahrhunderts unerwartet zum Schauplatz einer lebendigen protestantischen Streitkultur. Hier fanden große evangelische Versammlungen und Debatten statt, die das Selbstverständnis der jungen Kölner Protestanten prägten. So lud 1911 der „Verein für evangelische Freiheit“ zu einer Versammlung in den Gürzenich ein, um für den Verbleib von Pfarrer Carl Jatho in der Gemeinde Alt-Köln zu kämpfen. Der charismatische Pfarrer Jatho vertrat die damals umstrittene liberale Theologie und wollte das Christentum aus verkrusteten Traditionen befreien – sehr zur Sorge der kirchlichen Obrigkeit. Tatsächlich wurde Jatho noch im selben Jahr von der preußischen Kirchenleitung seines Amtes enthoben, doch sein mutiger Einsatz hinterließ Spuren in Köln. Einige Jahre später, im Januar 1919, hielt Pfarrer Georg Fritze ebendort den berühmten Vortrag „Kirche und Sozialdemokratie“. Auf Basis der „sozialen Seite des Evangeliums“ plädierte Fritze im Gürzenich für ein Ende der Gegnerschaft zwischen Kirche und Arbeiterbewegung – woraufhin er bald den Beinamen „der rote Pfarrer“ erhielt. Beide Ereignisse stehen exemplarisch für den Aufbruch der evangelischen Gemeinde in einer Stadt, die bis ins 19. Jahrhundert fast ausschließlich katholisch geprägt war.
An diese Kapitel der Kölner Protestantengeschichte erinnert nun die siebte Station der VIA REFORMATA am Gürzenich. Die neue Bodenplatte vor dem Gebäude lädt Passantinnen und Passanten ein, mehr über die hier verorteten Geschichten zu erfahren. Wer den QR-Code mit dem Smartphone scannt, erhält weiterführende Informationen zu Carl Jatho, Georg Fritze und anderen Personen und Ereignissen der Reformationsgeschichte in Köln. Auf diese Weise bereichert die evangelische VIA REFORMATA die städtische Via Culturalis um eine wichtige Facette: Kölns protestantisches Erbe wird sichtbar und unmittelbar im Stadtbild erfahrbar – als Teil der lebendigen Stadtkultur und des gemeinsamen historischen Gedächtnisses.
Mehr Informationen auf www.via-reformata.de
Text: APK
Foto(s): APK
Der Beitrag Neugestaltete Gürzenichstraße eröffnet – Via Reformata macht evangelische Geschichte sichtbar erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.