Es ist wohl keinesfalls übertrieben, wenn man das, was am Samstag im Berufsförderungswerk in Michaelshoven beschlossen wurde, historisch nennt. Mit großer Mehrheit beschloss die Synode des Ev. Kirchenkreises Köln-Süd die Aufhebung ihres Kirchenkreises. Er soll am 1. Januar 2026 aufgehen in einen neuen Kirchenkreis Köln-Linksrheinisch, dem sich auch die Kirchenkreise Köln-Nord und Köln-Mitte anschließen werden. Auch das beschlossen die Synodalen bei lediglich vier Gegenstimmen. Weitere Entscheidungen standen an in einem kleinen Beschluss-Marathon. Die Synodalen stimmten den Grenzen des neuen Kirchenkreises, der Anzahl der Gemeinden mit 33 und dem neuen Siegel zu. Darauf ist ein Boot zu sehen, „als Symbol für die Gemeinschaft in den Gemeinden“, wie Superintendent Bernhard Seiger anmerkte. Drei Wellen als Symbole für Bewegung und die drei Kirchenkreise und ein Bezug zum Rhein sowie ein Kreuz als christliches Zeichen.
Als Rechtsnachfolger übernimmt der neue Kirchenkreis Köln-Linksrheinisch das Vermögen und die Verbindlichkeiten des Kirchenkreises Köln-Süd. „Das ganze Prozedere folgt dem landeskirchlichen Leitfaden zur Fusion von Kirchenkreisen“, erklärte Bernhard Seiger. Er betonte, dass es zwischen den Fusionskandidaten keinerlei Streitfälle gebe. Vor allem Geld sei kein Problem: „Wir haben alle das gleiche Zuweisungssystem.“ Man habe vereinbart, dass keiner der Kirchenkreise bis zur Fusion finanzielle Verpflichtungen ohne Absprache mit den anderen eingehe. Sitz der neuen Kirchenkreisverwaltung soll an der Kartäusergasse sein, nach dessen Fertigstellung der Campus Kartause, der dann im Herzen des Kirchenkreises liegt.
Im November 2025 wird ein Bevollmächtigtenausschuss eingesetzt, der im Prinzip wie ein Kreissynodalvorstand arbeitet. „Im Februar 2026 werden wir die erste Synode des neuen Kirchenkreises haben. Sie wird groß sein. Ich rechne mit 220 Mitgliedern“, sagte der Superintendent. Diese Synode soll insbesondere die Haushaltsentscheidungen übernehmen, die die Vorgängerkirchenkreise bei ihren Herbstsynoden 2025 treffen müssen. Bis 2028 wolle man daran arbeiten, die Zahl der Synodalen schrittweise zu verkleinern. „Wir wollen ja mittelfristig mit leichterem Gepäck reisen“, so der Superintendent.
Seinen Jahresbericht hatte Bernhard Seiger in sechs Zwischenüberschriften eingeteilt. „Warum von der Zuversicht reden? Theologie angesichts von Weltkonflikten. Umgang mit der ForuM-Studie der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). Mitgliederorientierung. Treibhausgasneutralität in der Evangelischen Kirche und Gemeindefusionen. Dank.“ Für ein Motto seien die Verhältnisse zu unübersichtlich. „Wir erleben ein Auseinanderdriften unserer Gesellschaft, wir haben keine gemeinsame Erzählung mehr. Die einen sehen mit guten Gründen, dass wir einen ökologischen Umbau unserer Wirtschaft und eine grundlegende Veränderung des Lebensstils brauchen. Und andere vertreten ebenso begründet, dass unser wirtschaftlicher Fortschritt mit den getroffenen Entscheidungen gefährdet wird und wir alleine das Klima so nicht retten werden“, sagte der Superintendent. Er verwies auf die schreckliche Gewalt der Angriffe auf Israel und den „schwierigen Krieg“ in Gaza und im Libanon. Eine Studie habe nachgewiesen, dass sich 24 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen zu antisemitischen Äußerungen bekennen würden. Angesichts der Ukraine sieht Seiger „eine Weltgemeinschaft, die keine Wege findet, Frieden und Gerechtigkeit für die leidenden Völker zu finden“. Bernhard Seiger nutzte das biblische Motiv des Gerichts, um Orientierung in diesen Konflikten zu finden und fragte: „Wie wird gerichtet, wie wird das mit dem Himmel und der Hölle?“ Und gab die Antwort: „Die Wahrheit kommt auf den Tisch. Wahrheit wird aufgerichtet. Das ist die Läuterung für die Opfer und für die Täter. Bei den Tätern ist es die Scham über die Selbsterkenntnis. Bei den Opfern das Abwischen der Tränen und das Wiederherstellen der Würde.“
Das Nein Gottes gelte für den Terror gegen Menschen in Israel wie für das Leiden unschuldiger Kinder und Erwachsener in Gaza. „In Bezug auf Terror und Kriegsverbrechen gilt, dass die Taten aufgedeckt werden, dass sich Täter vor Gericht verantworten müssen und die Opfer ins Recht gesetzt werden. Soweit möglich, muss das innerweltlich passieren. Wir wissen natürlich um die Grenzen der menschlichen Gerichte. Viele Taten landen nie vor Gericht und wenn, kommt auch dort manches nicht ans Licht. Deshalb brauchen wir die Vorstellung vom Richten Gottes. Am Ende wird Gott das Böse verurteilen. Wenn wir das glauben und vertreten, kann unser Kompass intakt bleiben. So geben wir die Gebote, die das Leben ordnen, nicht preis.“
„Es geht in der ForuM-Studie um das Beschreiben von Taten im Raum der Kirche, bei denen die Grenzen von anvertrauten Menschen, Kindern und Jugendlichen, seelisch und körperlich verletzt wurden. Die Betroffenen haben oft Jahrzehnte unter dem gelitten, was ihnen angetan wurde, und viele leiden bis heute. Wir haben es hier mit individueller Schuld zu tun und mit Strukturen, die grenzverletzende Taten und Verbrechen begünstigt haben.“ Es gehe um organisatorisches Versagen und auch deshalb um Schuld. Die Kirche der Reformation sei oft sehr schnell gewesen, Vergebung zu thematisieren. Dabei gehe es darum, das Leiden der Betroffenen wahrzunehmen und dabei zu bleiben. Nicht die Betroffenen müssten sich schämen, sondern die Täter. „Wir müssen lernen, angemessen von Scham zu sprechen.“ Das Gericht Gottes habe eine aufklärerische Funktion. Alles werde ans Licht kommen. Und es habe eine befriedende Funktion: „Denn der Leidende, der und die, denen Unrecht getan wurden, werden ins Recht gesetzt. Das Gericht dient dem Frieden.
Die Vorstellung vom Gericht baut auch einer ethischen Laxheit vor.“ Theologisch gelte es den Betroffenen zu sagen: „Nichts von dem, was Du erlebt hast, ist vergessen.“ Gebraucht würden Geschichten vom Gelingen wie die biblischen Verheißungen. „Wir können durch unser Handeln heute, durch Prävention und verantwortungsvolle Aufarbeitung dazu beitragen, dass Schuld benannt und nicht entschuldigt wird. Betroffene erfahren Selbstwirksamkeit, und anvertraute Kinder und Jugendliche können im Raum unserer Kirche so sicher wie möglich sein. Das kann gelingen und es gelingt auch an ganz vielen Orten.“ Besonders zu diesem Thema des Berichts äußerten sich bei der Aussprache zahlreiche Synodale mit Nachdenklichkeit, weiterführenden Fragen und spürbarer Betroffenheit.
In Sachen Mitgliederorientierung verwies Superintendent Seiger auf eine Kampagne des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region. Man tritt regelmäßig mit Menschen im Alter von 15 bis 30 Jahren brieflich in Kontakt. „Mitgliedschaft in der evangelischen Kirche ist nicht mehr selbstverständlich, wir müssen auf dem Konkurrenzmarkt aktiv auf unsere spannende jüngere Zielgruppe zugehen.“ Seiger erinnerte auch an das neue Segensbüro „Hätzjeföhl“ und das Interesse bei der jüngeren Zielgruppe an der Hochzeitsmesse.
Bernhard Seiger rechnet damit, dass die Landessynode im Februar 2025 die Grundsatzbeschlüsse zur Treibhausgas-Neutralität präzisieren wird. „Mir würde mehr gefallen, wenn man so ehrlich wäre, einzugestehen, dass die Entscheidungen vom Januar 2022 emotional getriebene und wenig durchdachte Schnellschüsse waren, die bauliche, technische und wirtschaftliche Aspekte nicht genug reflektiert haben“, sagte der Superintendent. „Wir wollen gesunde Prozesse unterstützen und keine hektischen Entscheidungen, die nicht durchdacht sind und innerlich von den Presbyterien nicht mitgetragen werden.“ Und weiter: „Ich meine: Wir müssen bei allem, was wir entscheiden, mit der eigenen Irrtumsfähigkeit rechnen. Wir treffen Entscheidungen mit unserem heutigen Wissensstand und den heutigen Zahlenkenntnissen und -prognosen. Wir werden noch manche schmerzhaften Abbrüche erleben, auf die wir uns einstellen müssen. Es ist aber auch richtig, dass wir entschlossen und mit Überzeugung dafür eintreten, auch mit unseren kirchlichen Gebäuden die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren. Und zugleich müssen wir Orte der Begegnung und des spirituellen Erlebens in der Nähe der Menschen erhalten, um unseren Grundauftrag zu erfüllen. Das aber müssen wir intelligent tun, also ökumenisch und mit vielen Partnern in den Regionalräumen. Wir müssen aber auch entscheiden, Standorte, die wir nicht halten können, rechtzeitig aufzugeben und in die, die bleiben, investieren.“ Zum Schluss seines Jahresberichts dankte Seiger der Verwaltung und dem Kreissynodalvorstand für ihre Arbeit und schloss mit: „Glaube ist das Ja zur Wirklichkeit, Liebe ist das Ja zur Möglichkeit. Beide begründen Hoffnung, dass das Mögliche wirklich werden kann. Hoffnung ist der Glaube, der das Ganze bejaht – auch die Zukunft.“
Die Synode hatte begonnen mit einem Gottesdienst in der Erzengel-Michael-Kirche, der von den Berufsschulpfarrer und -pfarrerinnen Alice Husken, Stephanie Remy, Ralf Herbertz und Anselm Gnoth geleitet wurde. Pfarrer Herbertz aus Kerpen predigte über Micha 4 und die biblische Vision von Frieden und Gerechtigkeit, die sich mit den gegenwärtigen Zuständen nicht abfindet. Die musikalische Leitung hatte der Bayenthaler Kantor Samuel Dobernecker übernommen. Im Gottesdienst wurden auch die ehemaligen Mitglieder im Kreissynodalvorstand Christiane Bauerdick, Prof. Dr. Udo Bühler, Pfarrer Klaus Eberhard und Nancy Lässig-Hoffmann entpflichtet und verabschiedet.
Der Evangelische Kirchenkreis Köln-Süd
Der Evangelische Kirchenkreis Köln-Süd umfasst insgesamt 16 Gemeinden. Dazu gehören: Brüggen/Erft, Brühl, Frechen, Horrem, Hürth, Kerpen, Köln-Bayenthal, Köln-Raderthal, Köln-Rodenkirchen, Köln-Zollstock, Lechenich, Liblar, Rondorf, Sindorf, Sürth-Weiß und Wesseling. Die nächste Kreissynode wird am 14.6.2025 stattfinden.
Text: Stefan Rahmann
Foto(s): Stefan Rahmann
Der Beitrag Historischer Beschluss in Michaelshoven: Synode beschließt Aufhebung des Kirchenkreises Köln-Süd und dessen Fusion mit den Ev. Kirchenkreisen Köln-Nord und -Mitte erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.