Eigentlich war Pfarrerin nicht Almut Giesens erste Berufswahl – sie wäre auch gerne Psychologin oder Philosophin geworden –, aber wenn man in einem Pfarrhaus aufgewachsen ist, führen wohl nicht allzu viele Wege an einem Theologiestudium vorbei. Am 1. Oktober 1983 trat Almut Giesen als junge Vikarin ihren Dienst in der Gemeinde Bergheim-Zieverich an, den sie immer als Auftrag und Berufung aufgefasst hat. 1987 übernahm sie dann die dritte Pfarrstelle. Über 40 Jahre haben nicht nur die Gemeindeglieder von ihrem Interesse an Menschen, ihrer Empathiefähigkeit und Experimentierfreude profitiert.
Im Rahmen eines festlichen Gottesdienstes in der Christuskirche (musikalisch gestaltet von Kreiskantor Thomas Pehlken an der Orgel und dem Gemeindechor der Ev. Trinitatis-Kirchengemeinde an der Erft unter Leitung von Johannes Heller) wurde sie nun in den Ruhestand verabschiedet und von Superintendent Markus Zimmermann entpflichtet. Presbyterin Christiane Lenz durfte neben dem stellvertretenden Bürgermeister Willi Roth, dem katholischen Amtskollegen Christian Hermanns sowie Vertreter*innen der Schulen und des Kindergartens auch Almut Giesens Mutter unter den Gästen begrüßen.
In ihrer Ansprache nahm Giesen den Faden der Evangeliumslesung aus Matth. 13, 44–46 auf. Dort wird das Reich Gottes mit einem Schatz im Acker oder einer kostbaren Perle verglichen, für die es lohnt, alles andere aufzugeben. Almut Giesen ergänzte zunächst den Lesungstext um das Beispiel einer jungen Frau, die auf der Suche nach der großen Liebe ist, und als sie ihren Lebenspartner findet, bereit ist, ihre Familie und ihr bisheriges Umfeld hinter sich zu lassen, oder eines Musikers, der alles dem einen Ziel widmet.
Die Gottesdienstbesucher*innen konfrontierte sie mit den Fragen: „Wofür würden Sie alles aufgeben? Wo ist Ihr Schatz?“ Almut Giesen berichtete von Sara Schemann, einer ehemaligen Balletttänzerin, die ihr Lebensglück als Ordensfrau fand, erinnerte aber auch an Franziskus, den Ex-Party-König, der zum Ordensgründer und Heiligen wurde, oder den Apostel Paulus, der in seinem Brief an die Gemeinde in Philippi (Philipper 3, 7–14) in drastischen Worten die „Umwertung aller Werte“ beschreibt, die mit seinem Bekehrungserlebnis einherging. „Für viele, quer durch die Jahrhunderte, ist die Begegnung mit Gott ein Glücksfund geworden“, sagte Giesen, und die Freude nach einer solchen Lebenswende sei „eine Kraft, die bewegt und motiviert“.
Für Superintendent Markus Zimmermann war die Entpflichtung von Almut Giesen gleich in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes: Zum einen feierte die zukünftige Pfarrerin i.R. gleichzeitig ihren Geburtstag, zum anderen habe er noch nie jemanden entpflichtet, der über 40 Jahre im Kirchenkreis tätig gewesen sei. Als Almut Giesen in ihr Amt eingeführt wurde, sei die Akzeptanz von Pfarrerinnen noch „ausbaufähig“ gewesen, so Zimmermann: „Eine Kollegin in Bergheim, das war damals noch keine Selbstverständlichkeit!“, „Du brennst für Seelsorge und Verkündigung“, lobte Zimmermann und würdigte Almut Giesen als sehr gute Theologin und Seelsorgerin. Als „Meilensteine“ ihres Wirkens in Zieverich erwähnte der Superintendent exemplarisch die Etablierung eines Kurssystems in der Konfirmandenarbeit, die Eröffnung des Gemeindezentrums „Arche“ 1995, die Neugestaltung der Christuskirche sowie ihr Engagement für das Reformationsjubiläum im Jahr 2017.
Persönliche Grußworte gab es von Giesens katholischem Kollegen Christian Hermanns, der zwar erst seit zweieinhalb Jahren in Zieverich tätig ist, Almut Giesen aber vor allem bei gemeinsamen Gottesdienstvorbereitungen als sehr kollegial und zugewandt erlebte. „Eine Ära geht zu Ende!“, stellte Hermanns fest und bemerkte, dass eine solche „Standorttreue“ heutzutage ein „Auslaufmodell“ sei. Der stellvertretende Bürgermeister Willi Roth hob Giesens „einfühlsame Art“, ihre „besondere Sensibilität“ und „unermüdliche Hingabe“ hervor sowie ihre „moderne Art, Gottesdienste zu gestalten“. „Sie haben nicht nur Hoffnung und Mut gespendet, sondern auch Vertrauen“, resümierte Roth.
Noch mehr Gelegenheit zum gemeinsamen Erinnern, Zurückblicken und Feiern war im Anschluss an den Gottesdienst im Gemeindezentrum „Arche“.
Text: Priska Mielke
Foto(s): Priska Mielke
Der Beitrag „Gott verpflichtet und den Menschen zugewandt“ – Pfarrerin Almut Giesen wurde von Superintendent Markus Zimmermann entpflichtet erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.