„Vergesst das mit nicht“: Die Themen „jüdisch-christliches Miteinander“ und der erstarkte Antisemitismus in unserer Gegenwart, auch in Köln, standen im Mittelpunkt des Gottesdienstes, mit dem die Frühjahrstagung der Verbandsvertretung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region am Samstagmorgen in der Kartäuserkirche begonnen hatte. Pfarrer Martin Bock, Leiter der Melanchthon-Akademie, hatt den Gottesdienst mit Pfarrerin Ulrike Gebhardt und Rainer Lemaire vorbereitet. Martin Bock sprach über das Kunstwerk „Vergesst das mit nicht“ von Josua Koffmann (Philadelphia, 2015). Es zeigt einen jüdischen und einen christlichen Menschen, die voll Interesse und Schriftgespür über Kreuz die Bibel Israels und der Kirche lesen, einander zuhören und einen gemeinsamen Weg gehen: ein Traum und eine notwendige Möglichkeit für eine bessere Welt. „Bei allen großen Sorgen, die wir heute um unsere jüdischen Geschwister haben, möchten wir auch aus diesem Traum Kraft und Hoffnung gewinnen“, so Bock weiter. Er predigte zu Psalm 73, das „kleine Hiobbuch im Psalter“: „Als Mitlesende dieses Psalms sind wir mitbeteiligt, zum Teil auch mitschuldig an der kleinen und großen Hiobsgeschichte Israels. Sie liegt nicht in der Vergangenheit, sie kann, so ist die Erfahrung jüdischer Menschen Tag für Tag und nach dem 7. Oktober ganz verschärft, sich immer aufs Neue wiederholen, auch hier in Köln.“ Er sagte: „Nehmen wir uns den kleinen Hiob zu Herzen und setzen uns wie in Josua Koffmanns Bild voller Interesse und Mitgefühl an seine Seite und tun das Unsrige, den ,Gewaltmenschen‘ überall zu widerstehen, auf dass es irgendwann, endlich wieder gut werde.“
Nach dem Gottesdienst begrüßte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger die Vertreterinnen und Vertreter der Verbandsvertretung im Haus der Evangelischen Kirche. Dr. Volker Haarmann vom Landeskirchenamt sprach in einem kurzen Grußwort über die Tageslosung zu „bösen Tagen“ – und dennoch könne man den eigenen Fokus verschieben: „Eine Ermunterung zur Dankbarkeit; das, was oft so selbstverständlich scheint und doch nicht ist.“ Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses in der Stadt Köln, ging in seinem Grußwort auf die Situation der katholischen und der evangelischen Kirche in Köln ein. Er erhofft sich für die Zukunft, dass es in jedem Veedel bei der anstehenden Aufgabe vieler Gebäude auch in Zukunft mindestens einen kirchlichen Ort gibt, dies wäre aus seiner Sicht nur ökumenisch zu erreichen. Außerdem bezeichnete er das Bauprojekt Campus Kartause als mutigen Schritt, für den er dem Verband alles Gute wünschte. Erzpriester Volodymyr Chayka erinnerte in seinem Grußwort an die Lage ukrainischer Christen zu einer ökumenischen Konferenz im Herbst ein. Diese wird im Herbst in Zusammenarbeit mit Pfarrer Christoph Rollbühler in der Christuskirche in der Kölner Innenstadt stattfinden.
Antisemitismus in Köln widersprechen! Erklärung der Ev. Kirche in Köln und Region
Markus Zimmermann, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Nord, stellte eine Erklärung mit dem Titel „Antisemitismus in Köln widersprechen!“ vor. Das Thema war aus aktuellem Anlass zusätzlich auf die Tagesordnung genommen worden. Markus Zimmermann sagte: „Antisemitismus hat zugenommen, es ist leider kein neues Phänomen. Antisemitismus darf es in unserem Land nicht geben. Und wir müssen auf unsere Weise versuchen, uns gegen Antisemitismus zu wehren“ – auch bereits bei Bemerkungen, die „nahe an Antisemitismus heranrücken“.
In der Erklärung heißt es unter anderem: „Die Verbandsvertretung hat mit großer Sorge dem aktuellen Bericht ,Antisemitische Vorfälle in Köln 2023′ der Fachstelle gegen Antisemitismus im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln entnommen, dass nach dem 7. Oktober 2023 in Köln „mehr als eine Verdopplung antisemitischer Vorfälle im Vergleich zum Jahr 2022“ zu verzeichnen sind.“ Weiter steht in dem Beschluss: „Es fordert uns Christinnen und Christen in unserer kirchengemeindlichen Arbeit, in der schulischen, Familien- und Erwachsenenbildung, in unserem Engagement im Quartier und in der Bürgergesellschaft heraus. Noch stärker als bisher müssen wir solidarische Positionierungen und angemessene Handlungsstrategien gegen Antisemitismus erproben und auch zum Gegenstand interreligiöser Beziehungen in der Stadt machen. Der Widerspruch gegen Antisemitismus ist nicht nur die Sache einiger weniger, sondern eine Verantwortung aller Christinnen und Christen.“ Die 68 anwesenden Delegierten der Verbandsvertretung sprachen sich einstimmig für die Erklärung aus. Die Melanchthon-Akademie bietet gemeindliche Workshops zum Thema Antisemitismus an. Den Text der Erklärung finden Sie hier.
Geschichte der Kölner Kirchenkreise und des Ev. Kirchenverbandes Köln und Region
Prof. Dr. Siegfried Hermle berichtete über die Geschichte der Kirchenkreise in Köln und Region und den Ev. Kirchenverband Köln und Region. Er ist emeritierter Professor für Kirchengeschichte und maßgeblich an der Recherche für „Evangelisch leben hält Kirche agil: 1904 – 1934 – 1964 – 2024“ beteiligt. Er sagte: „Die Strukturen in der evangelischen Kirche sind historisch bedingt und waren – und sind – einem stetigen Wandel unterworfen; ganz gemäß der zwar nicht auf Luther sondern auf den niederländischen Pietisten Jodocus van Lodenstein zurückgehende Maxime (um 1678): ecclesia semper reformanda: die Kirche muss stets reformiert, erneuert werden. Blicken wir auf den Raum Köln, so wird dieser stete Wandel in anschaulicher Weise greifbar.“
Zu Anfang des 20. Jahrhunderts habe es auf dem Stadtgebiet Kölns sechs evangelische Kirchengemeinden gegeben: Reiche Gemeinden wie Lindenthal, Nippes und Bayenthal standen ärmeren wie Ehrenfeld und Deutz gegenüber. Doch ein Vorstoß zur Bildung eines Verbandes der Gemeinden, auch um die finanziellen Unterschiede auszugleichen, blieb ohne Resonanz. Mit der Eingemeindung von Kalk, Mülheim und Dellbrück stellte sich wieder die Frage nach einer intensiveren Zusammenarbeit.
Gegründet wurde dann vor 120 Jahren ein „Vertreter-Ausschuß der evangelischen Gemeinden Groß-Cöln’s“. Dieser hatte jedoch keine rechtlichen Kompetenzen. Es war dann die Landeskirche, die auf Antrag der Kreissynode Köln am 18. Januar 1934 die Bildung eines „Gesamtverbandes der Evangelischen Kirchengemeinden der Stadt Köln“ anordnete. Jahre der Vorbereitungen waren dem vorausgegangen. In der Nachkriegszeit stand die Wiederherstellung der zerstörten Gebäude im Vordergrund. Zugleich mangelte es an Pfarrpersonen.
Die Kreissynode wählte im September 1945 Hans Encke zum Superintendenten. Der Kirchenkreis verschmolz unter seiner Führung mit dem Gesamtverband und die Selbstständigkeit der Gemeinden wurde aufrechterhalten. Doch Arbeitsfelder wie Diakonie und Erwachsenenbildung wurden auf gemeinsame Einrichtungen übertragen. 1963 entschied man sich aufgrund des Wachstums der Gemeinden, den Kirchenkreis Köln in vier Kirchenkreise aufzuteilen. Als Klammer wurde der Stadtkirchenverband Köln eingerichtet. Erster Stadtsuperintendent wurde Hans Encke. Bis heute wurde diese Struktur beibehalten. Aber „ecclesia semper reformanda“: Aus den drei linksrheinischen Kirchenkreisen wird 2026 einer. Hermle erklärte: „So zeigt sich im Bereich des ,Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region‘ beispielhaft die Notwendigkeit einer stetigen Anpassung der Strukturen an die Gegebenheiten.“ Er fügte hinzu: „Denn nur durch Veränderung kann die Kirche den Anforderungen der Gegenwart begegnen, kann agil bleiben.“
Die Ausstellung kann im Haus der Ev. Kirche, Kartäusergasse 9-11, 50678 Köln, während der Öffnungszeiten besichtigt werden.
Berichte aus den Arbeitsbereichen
Torsten Krall, Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Köln-Rechtsrheinisch, führte durch die Jahresberichte der Einrichtungen. Sie zeigten auf besondere Art und Weise die vielfältige Arbeit im Kirchenverband Köln und Region. Diese reichen unter anderem von der Ev. Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, der Melanchthon-Akademie, dem Evangelischen Jugendreferat Köln und Region über die Ev. Familienbildungsstätte, dem Schulreferat, dem Referat für Berufskollegs und den Seelsorge-Bereichen bis hin zum Diakonischen Werk Köln und Region gGmbH. Wichtige Weichenstellungen waren im Berichtszeitraum bei viele Einrichtungen u.a. die Wechsel der Leitungen, u.a. im Jugendreferat, in der Beratungsstelle, im Diakonischen Werk und in der Verbandsverwaltung.
Bernhard Seiger stellte der Verbandsvertretung den aktuellen Stand des Bauprojektes Campus Kartause vor. Nach dem Beschluss der Verbandsvertretung im letzten Jahr wurde parallel die Ausführungsplanung erstellt und die Generalunternehmer-Angebote ausgewertet und verhandelt, so dass der GU-Vertrag mit der HANS LAMERS BAU GMBH aus Jülich im April 2024 unterzeichnet werden konnte. Die Fertigstellung ist voraussichtlich für Ende 2026 terminiert. Die Ausgrabungen des Römisch Germanischen Museums gehen zurzeit weiter und haben unter anderem einige interessante Funde aus der Klostergeschichte zutage gefördert – nichts jedoch, das den Bauablauf bisher negativ beeinflusst hätte. Anfang Mai hat das Bauunternehmen begonnen, die Bohrpfahlwände für die Baugrube zu setzen. Im Mai wurde auch der Rückbau des alten Bestandsgebäudes in Angriff genommen. Ende Mai 2024 fand auf der Baustelle ein Nachbarschaftsgespräch statt, bei dem der Generalunternehmer, das Architekturbüro und der Bauherr über den Bauablauf und die Zeitpläne unterrichtet haben. Auf der Internetseite www.campus-kartause.de wird immer wieder über die aktuelle Planung berichtet.
Bernhard Seiger sagte: „Es ist ein großes Investment in die Zukunft unserer Kirche. Man kann sagen, es ist in gewisser Weise ein antizyklisches Investment in Zeiten, in denen viele nicht bauen. Krisen gibt an so vielen Stellen, und doch ist es genau deswegen wichtig, nach vorne zu sehen, unsere Zukunft zu gestalten.“ Er erklärte weiter: „Wir haben keine Angst vor Veränderung, sondern bauen und gestalten und schaffen damit für unsere Bildungsarbeit ein zeitgemäßes und schönes Haus. Wir dienen damit den nächsten Generationen. Der Campus Kartause wird ein Ort der Bildung und Begegnung sein, Begegnung aller Art und Güte.“
Kirchensteuerprognose
Markus Zimmermann informierte über die Prognose der Kirchensteuer für die nächsten Jahre. Der Rückgang der zur Verfügung stehenden Kirchensteuer wird sich in den kommenden Jahren voraussichtlich verstärken. Eine bereits im vorletzten Jahr entwickelte Prognosetabelle bis zum Jahr 2040 für den Haushalt des Verbandes beziehungsweise seiner Zuweisungsempfänger wurde mit Blick auf die prognostizierte Mitgliederentwicklung und die neue Prognose der Landeskirche in Bezug auf die Kirchensteuer aktualisiert. Da viele Gemeinden in ihrem Doppelhaushalt 2024/2025 bereits mit einer gleichbleibenden Verteilsumme für 2025 geplant haben, wurde vereinbart, erst 2026 mit einem Absenken der Verteilsumme zu beginnen und die Verteilsumme gleichmäßig so abzusenken, dass die Ausgleichrücklage bis zum Jahre 2040 reicht. Unter diesen Voraussetzungen würde die Verteilsumme für die Gemeinden und den EKV-Bereich ab dem Jahr 2026 jährlich um ca. 1,5% sinken.
Sonstiges
Mit der Änderung der Geschäftsordnung des Kirchenverbandes geht die Namensänderungen für drei Einrichtungen des Verbandes einher: Das „Amt für Presse und Kommunikation“ wurde zu „Presse und Kommunikation“. Das „Amt für Krankenhausseelsorge“ wurde zu „Krankenhausseelsorge“. Das „Pfarramt für Berufskollegs“ wurde zu „Referat für Berufskollegs“. Die Verbandsvertretung beschloss außerdem, Frau Gabriele Orbach für die Dauer von vier Jahren als Verbandsbeauftragte für Diakonie zu bestellen.
Evangelischer Kirchenverband Köln und Region
Die Verbandsvertretung ist das Leitungsorgan des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region mit Gemeindegliedern im Rhein-Erft-Kreis, in Köln, im Rheinisch-Bergischen Kreis und im Oberbergischen Kreis in den vier Kölner Kirchenkreisen. Zu den Aufgaben der Delegierten gehören beispielsweise der Beschluss des Haushalts und die Wahl des Stadtsuperintendenten. Die Verbandsvertretung tagt zweimal im Jahr und wird von Stadtsuperintendent Bernhard Seiger geleitet. Die nächste Verbandsvertretung des Evangelischen Kirchenverbandes Köln und Region findet am Freitag, 22. November 2024, um 16 Uhr statt.
Text: APK
Foto(s): APK
Der Beitrag Erklärung zu Antisemitismus, Geschichte des Ev. Kirchenverbandes Köln und Region und Kirchensteuerprognose – Nachrichten von der Verbandsvertretung im Sommer 2024 erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.