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D’r Zoch kütt – mit ökumenischem Segen für alle Teilnehmenden

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Wenn der Rosenmontagszug durch Köln zieht, dann tut er dies stets mit kirchlichem Segen. Der zwei Tage vor Weiberfastnacht erteilte Segen gilt insbesondere allen mitwirkenden, teilnehmenden und zuschauenden Menschen. Zum Richtfest und zur Präsentation der Persiflagewagen des größten Karnevalsumzugs in Deutschland gehört stets die Segnung zu Beginn. Vorgenommen wurde sie von Stadtdechant Monsignore Roberte Kleine und Stadtsuperintendent Bernhard Seiger in gutem ökumenischen Miteinander der beiden großen christlichen Kirchen in Köln.

In der Wagenbauhalle des Festkomitees Kölner Karneval von 1823 (FK) am Maarweg standen die beiden Repräsentanten nebeneinander hoch über den Köpfen des Kölner Dreigestirns und des Kinder-Dreigestirns, des FK-Vorstandes sowie der Präsidenten und Vertretenden der dem FK angehörenden Gesellschaften auf dem als jecke Lokomotive gestalteten Wagen des neuen Zugleiters Marc Michelske.

Kritik an Wagen zu sexuellem Missbrauch in der Kirche

In einer persönlichen Vorbemerkung ging Stadtdechant Msgr. Robert Kleine auf einen Motivwagen ein, der „in auch öffentlich geäußerter Kritik steht“. Dieser thematisiert sexualisierte Gewalt und Missbrauch in der katholischen Kirche. Dargestellt ist ein als Messdiener gekleidete Junge vor einem Beichtstuhl. Aus diesem streckt sich dem Heranwachsenden der Arm eines Geistlichen entgegen, der ihn mit dem Zeigefinger zu sich bittet beziehungsweise lockt. An den Seiten des Beichtstuhls ist in Großbuchstaben zu lesen „Jesus liebt dich. Jesus loves you“.

Seit er als Stadtdechant beim Richtfest diesen kurzen Segensgottesdienst mitgestalte, habe er stets betont, was Segen und Segnen bedeute, so Kleine. Aus dem Lateinischen „benedicere“ übersetzt heiße segnen, „jemandem etwas Gutes zusprechen – und Gott spricht uns Menschen Gutes zu“. Deshalb sprächen wir zwar davon, dass Orgeln, Wohnungen oder Wagen gesegnet würden, „aber es geht immer um die Menschen. Um die Menschen, die jetzt, am Rosenmontag, die Wagen steuern, um Beifahrer und die anderen Verkehrsteilnehmer sowie die, die sich auf dem Fußweg befinden.“ Er segne nicht die dargestellten Motive oder die dahinterstehenden expliziten oder impliziten Aussagen, betonte der Stadtdechant.

Stadtdechant Kleine: „Wagen legt den Finger zurecht in die Wunde“

Auch Kleine findet den in ebenso öffentlich geäußerter Kritik stehenden Motivwagen „missverständlich – und die Bemühungen der Kirche um Aufarbeitung der furchtbaren Missbrauchsverbrechen nicht in den Blick nehmend“. Aber der Wagen lege den Finger zurecht in die Wunde, fuhr er fort. Gleichwohl hätte er sich „eine eindeutige und nicht eine mehrdeutige Darstellung gewünscht, die viele Jecken am Rand in der Kürze der Zeit am Rosenmontag vielleicht in ihrer Komplexität nicht erfassen können“.

Er habe auch den Verantwortlichen des Festkomitees seine Kritik an dem Wagen und seinen Vorschlag um Veränderung mitgeteilt. „Aber der jetzige Segen – und dass ich hier oben stehe –, bedeutet eben nicht, dass ich die Darstellungen der Motiv-Wagen ab-segne oder gut-heiße.“ Das sei auch nicht seine Aufgabe. Kleine nannte es anmaßend und übergriffig, wenn man in die Wahl der Wagen des Rosenmontagszuges eingreifen wolle.

„Aus diesem Grund werde ich jetzt wieder voller Freude mit Dr. Seiger die Wagen segnen. Obwohl es bis eben noch manche Aufforderungen an mich gab, es in diesem Jahr explizit nicht zu tun. Aber ich sehe es als meine Aufgabe, die Wagen zu segnen“, sagte der Stadtdechant und erntete dafür großen Applaus. „Denn es ist mir ein Herzensanliegen, dass es auch in diesem Jahr im wahrsten Sinne des Wortes ein gesegneter, ein unfallfreier und ein unbeschwerter Rosenmontagszug wird.“

Stadtsuperintendent Seiger: „Die Wahrheit aussprechen und das aushalten“

Stadtdechant Kleine und Stadtsuperintendent Seiger hoch oben auf dem Zugleiterwagen.
Stadtdechant Kleine und Stadtsuperintendent Seiger hoch oben auf dem Zugleiterwagen.

„Leev Jecke“, begrüßte Stadtsuperintendent Bernhard Seiger die große Schar – und schilderte erste Eindrücke: „Es ist so schön, hier oben zu stehen, in der Pracht dieser vielen Wagen, die noch nicht das Licht der Öffentlichkeit gesehen haben und im Glanz der Pracht unseres Sechsgestirns hier oben zu sein.“ Es sei ein bisschen wie Weihnachten, verglich Seiger. „Da ist alles vorbereitet, wochenlang. Der Baum ist vorbereitet. Die Geschenke sind eingepackt. Die Kerzen brennen. Aber es hat noch niemand etwas ausgepackt.“ Heute, jetzt und hier, erlebten wir das Auspacken des Rosenmontagszuges mit. Wir könnten die Kreativität, die Freude der Wagenbauer sehen. Überhaupt die behandelten Themen, die Themen unserer Zeit seien.

Das gelte auch für das vom „Stadtdechanten gerade angesprochene“. Das Thema sei doch dieses: „Dass Menschen gelitten haben in unserer Kirche. Und das ist eine Wahrheit. Und deswegen ist es wichtig, dass das ausgesprochen wird, dass es ausgehalten wird. Und das wir alles Denkbare dafür tun, dass das in Zukunft nicht mehr passiert. Das ist unsere Aufgabe“, sprach der Stadtsuperintendent. Der Karneval trage dazu bei, Wahrheiten auszusprechen. „Wie gut, dass das so ist“, stellte Seiger fest und erhielt darauf ebenfalls starken Beifall.

Wir seien in Vorfreude und Erwartung auf den Rosenmontagszug hier und wollten dafür beten, dass alles gut ablaufe, so Seiger. „Dass die Jecken viel Freude haben, dass es keine Unfälle gibt, dass der Alkohol das Miteinander nicht zu sehr belastet, sondern eher Freude stiftet und Gemeinschaft.“ Und dass die Kräfte am Ende für alle Mitwirkenden reiche. Es solle ein Zug, sollten Tage werden, von denen man nachher sagen könne: „Ich war dabei, ich habe es genossen. Und wir haben es gemeinsam auf den Weg gebracht“, leitete Seiger zur Segnung über.

Es sollen Tage der Freude und Begegnung werden

Nach Kleines Gebet bat er Gott unter anderem darum, alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie Zuschauerinnen und Zuschauer der Schull- und Veedelszöch, die am Karnevalssonntag durch Köln zogen, und des Rosenmontagszuges zu segnen, damit es für sie alle Tage der Freude und Begegnung werden. „Segne die Menschen, die sich in Zeiten der Anspannung und der Umbrüche, die wir so schmerzhaft erleben und beobachten, und die sich so nach Lebensfreude und Gemeinschaft sehnen, dass sie Freude und Herzenswärme und vor allem Zusammengehörigkeit erleben. Das brauchen wir so sehr“, ersuchte der Stadtsuperintendent.

Kleine bat stellvertretend Zugleiter Marc Michelske nach vorne. „Tja, jetzt hätte ich alle Chancen“, sagte er augenzwinkernd in das ahnungsvolle Lachen der Umstehenden hinein. „Aber ich lasse den Zugleiter nicht im Regen stehen“, verzichtete Kleine auf das Entleeren des Weihwassergefäßes über Michalsle in einem Rutsch. Stattdessen sandte der Stadtdechant, wie rituell vorgesehen, mittels Weihwasserwedel einige Tropfen nach unten auf die Versammelten. Währenddessen bat er Gott: „So segne diese Wagen und vor allem die Menschen , die voller Freude unseren kölschen Fasteleer feiern.“ Seiger wünschte abschließend „unvergessliche Tage“.

„Vielen, vielen Dank fürs Segnen“

Bevor die 19 Persiflagewagen, von denen zwei noch verhüllt geblieben waren, in Augenschein genommen wurden, richtete sich Zugleiter Marc Michelske an den Stadtdechanten: Man könne über alles reden. „Ich bin immer ein Mensch, der sich gerne austauscht“, dankte der Zugleiter „Robert, dass du heute hier bist“. Beiden Geistlichen sagte er „vielen, vielen Dank fürs Segnen“.

Ein Video der Wagensegnung können Sie hier sehen:

Text: Engelbert Broich
Foto(s): Engelbert Broich

Der Beitrag D’r Zoch kütt – mit ökumenischem Segen für alle Teilnehmenden erschien zuerst auf Evangelischer Kirchenverband Köln und Region.